ESC als Wirtschaftsmotor: Was Rot-Pink in Wien vorhat
Womöglich lag es daran, dass sich die Regierung im Bund mit allen Mitteln gegen den Spitznamen „Zuckerlkoalition“ wehrt, da braucht die Wiener Stadtregierung nicht noch den Terminus „Punschkrapferlkoalition“ weiter befeuern. Als Bürgermeister Michael Ludwig und seine Stellvertreterin Bettina Emmerling am Dienstag die neue Regierung präsentierten, wurde jedenfalls kein überdimensioniertes Punschkrapferl zur Feier des Tages serviert, wie es noch vor fünf Jahren der Fall war. SPÖ und Neos wollen in ihrer zweiten Legislaturperiode als „Aufschwungskoalition“ bekannt werden.
Dafür ist aber zunächst einmal ein Aufschwung nötig. Wien war zwar das einzige Bundesland, das im Vorjahr ein Wirtschaftswachstum (0,5 Prozent) hatte, gleichzeitig aber auch das höchste Defizit (1,6 Milliarden Euro). Was hat Rot-Pink also bis 2030 vor? Drei neue Forderungen und drei offene Fragen.
Punkt 1: Mindestsicherung neu
Michael Ludwig und Bettina Emmerling gaben am Montag bei ihrem Auftritt den Good Cop und Bad Cop. Ludwig erzählte von einem Ausbildungsprogramm für Pflegeberufe, von Wien als Konferenzstadt Nummer eins oder dem Ausbau frauenspezifischer Gesundheitseinrichtungen. Emmerling sprach hingegen über mögliche Einsparungen, dann über eine Reform der Mindestsicherung. Wien wünscht sich vom Bund eine österreichweit einheitliche Regelung: im Idealfall mit einer Residenzpflicht für anerkannte Flüchtlinge, um den Wechsel in ein Bundesland zu verhindern, einer eigenen Kindergrundsicherung und der Auszahlung über das Arbeitsmarktservice AMS. Im Regierungsprogramm steht außerdem: „Wir evaluieren die Lebenssituation von Mehrkindfamilien in der Wiener Mindestsicherung gemeinsam mit der Kinder- und Jugendhilfe. Im Hinblick auf Treffsicherheit stellen wir sicher, dass Transfers (sowohl die Deckung des Lebensunterhalts als auch der Wohnsituation) und Sachleistungen die Situation der Kinder verbessern. Inaktivitätsfallen bei Eltern sollen vermieden werden.“ Details sind noch offen.
Punkt 2: Quereinsteiger:innen im Kindergarten
Die Pädagoginnen und Pädagogen für Kinder im Alter von null bis sechs Jahren sollen, so der Plan, entlastet werden. Unter anderem mit mehr Unterstützungspersonal und der Möglichkeit, den Quereinstieg von anderen Berufsgruppen in die Elementarpädagogik zu erleichtern. Prinzipiell soll die wöchentliche Besuchspflicht für Kinder mit Sprachförderbedarf im verpflichtenden Kindergartenjahr von 20 auf 30 Stunden erhöht werden.
Punkt 3: Der getrennte Ring
Wer in Wien lebt, kann es nicht vermeiden, ab und zu auf der Ringstraße entweder zu Fuß oder mit dem Rad unterwegs zu sein. Ein schwieriges Unterfangen, weil sich die dafür vorgesehenen Wege immer wieder kreuzen. Rot-Pink will den Fuß- und Radverkehr „entflechten“.
Frage 1: Und das Budget?
Nach den rot-pinken Koalitionsverhandlungen beginnen die Budgetgespräche, noch immer haben nicht alle Rathaus-Ressorts eingemeldet, wie viel sie auf welchem Wege einsparen wollen. Das Regierungsprogramm von SPÖ und Neos bleibt hier einmal mehr vage: Man werde das Budget sanieren, „das passiert im Gleichklang mit dem gesamtstaatlichen Konsolidierungsprozess in einem Zeitraum von sieben Jahren bis 2031“, heißt es auf Seite zehn. Unter anderem will Rot-Pink Förderungen durchforsten und damit ausgabenseitig sparen. Ludwig hofft auch auf den ESC in Wien als Wirtschaftsmotor und beruhigt die Konkurrenz: Auch bei der Austragung im Jahr 2015 habe man Bilder aus anderen Bundesländern gezeigt.
Frage 2: Was wird aus dem Lobau-Tunnel?
Das Wörtchen „Lobau“ kommt im Koalitionsprogramm zwar zwei Mal vor, aber nie im Kontext mit der umstrittenen Stadtstraße. Tatsächlich hat Rot-Pink das Straßenprojekt offenbar völlig aus dem Koalitionspakt ausgeklammert – und wartet auf die nächsten Schritte im Bund.
Frage 3: Wer wird regieren?
Ludwig und Emmerling sind als Bürgermeister und Bürgermeister-Stellvertreterin fixiert, auch bei den restlichen Teams sind keine großen Überraschungen angekündigt. Heute, Mittwoch, sollen die Gremien der SPÖ-Wien ihr Regierungsteam bestätigen. Die Wiener Neos hingegen brauchen für die Regierung – wie im Bund – die Zustimmung ihrer Mitglieder. Am Samstag stimmen sie über den Eintritt in eine Koalition mit der SPÖ offiziell ab.